Rainer Stadtkapelle stimmt auf Weihnachten ein

Die Stadtkapelle fasziniert erneut durch perfekte Interpretation.

DONAUWÖRTHER ZEITUNG VOM 20.12.2018

VON ULRIKE HAMPP-WEIGAND

Seit nunmehr 26 Jahren spielt die Rainer Stadtkapelle kurz vor Weihnachten in der Stadtpfarrkirche St. Johannes ihr „Kirchenkonzert zum Advent“. Eine bemerkenswerte Tradition, die der Vorsitzende Christoph Heider nicht unerwähnt ließ, und die auch heuer fortgesetzt wurde. Interpreten wie auch Besucher wurden in der vollen Kirche vom Gebotenen wieder erheblich „gefordert“. Originalkomposi-tionen der Höchststufe für sinfonisches Blasorchester standen auf dem hoch anspruchsvollen Programm.

Stadtpfarrer Jörg Biercher ließ es sich aus seiner Begeisterung für „seine“ Rainer Stadtmusikanten denn auch nicht nehmen, die Konzertbesucher zu begrüßen, mit Aphorismen kluger Denker und Dichter durch den Abend zu führen, zu Komponist und Werk zu plaudern.

Dirigent Andreas Nagl war gleich mehrfach im Einsatz: Nicht nur, dass er ein überragendes Hauptorchester dirigierte, er leitete auch das Vorstufenorchester bei seinen weihnachtlichen Klängen: dem 1868 von Phillip Brooks unter dem Eindruck einer Pilgerreise ins Heilige Land verfassten, von Lewis H. Redner vertonten klassischen amerikanischen Weihnachtslied „O little town of Bethle-hem“, dem alten französischen Weihnachtslied aus dem 18. Jh. „Gloria in Excelsis Deo“, der „Jupiter Hymne“ von Gustav Holst, und dem abschließenden, vergnüglich-frohen „Winter Wonderland von Felix Bernard (Arrangement Luisa Hänsel). Mit einem solchen Programm muss ein stimmiger Konzertbeginn gelingen.

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Szenenwechsel: Das Große Ensemble setzte ein mit gewaltigem Orchesterklang. Richard Wagner schrieb 1845 die Oper „Tannhäuser oder der Sängerkrieg auf der Wartburg“, sein „Schmerzenskind“. Der zur Bußwallfahrt verurteilte Minnesänger Tannhäuser kehrt aus Rom, wo ihm der Papst die Absolution verweigerte, zurück zur Wartburg. Die ihn liebende Elisabeth erwartet ihn vergeblich unter den Pilgern. Um seiner Vergebung willen stirbt sie – und auch er, als er ihr Opfer erkennt.

Grandios verkörperten die Musiker im weihevoll schreitenden Thema des Chorals die sakrale Atmosphäre, sinfonische, gesangliche Wucht erfüllt in phänomenaler musikalischer Steigerung den Kirchenraum. Fast leichtfüßig klang danach die „Morgenstimmung“, der erste Satz der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg, aus der Musik zum Drama von Henrik Ibsen entstanden, jener Geschichte des Taugenichts, der in die Welt zieht und zuletzt alt und desillusioniert zurückkehrt. Zauberhaft die einleitenden Flöten und Klarinetten, Vogelgezwitscher und ländliche Klänge – immer wieder fängt der Zauber dieser wiegenden Melodik, der reizvollen Klangkombinationen in wundersamen Steigerung des allmählichen Sonnenaufganges den Hörer ein.

Eines der bekanntesten romantischen Orchesterstücke, vielgeliebt, verführerisch und hinreißend gespielt! „Mosaichoralmente“, eine Fantasie für Blasorchester – übersetzt Choralmosaik – von Thiemo Kraas, 2012 komponiert, ist aus der Choral-Bearbeitung von J. S. Bach „Herr Jesu Christ, dich an uns wend“ entstanden. Fast kammermusikalisch nur wird die Melodie angerissen, um sich in ein majestätisches Tutti zu steigern. Modulationen, ein neues Thema wird extemporiert, in sehr hohen Tempo wirbeln musikalische Splitter, weder Mosaik noch Choral – musikalischer Dadaismus pur!

Triumphierendes Blech bändigt den Choralsatzüber dem ostinaten Rhythmus. Ein Paukenwirbel leitet dann jedoch, zum ersten Mal, über zum Choral in groß angelegtem Tutti. Begeisternd und doch noch nicht der Höhepunkt des Konzertes!

Stadtkapelle begeistert mit „Russian Christmas Music“
Dieser Status blieb dem Werk eines der zeitgenössischen Großmeister für sinfonische Blasmusik, Alfred Reed, vorbehalten. 1944 komponiert, 1947 überarbeitet: „Russian Christmas Music“ – eine weitere, wiederum bravourös gemeisterte Herausforderung, ein eindrucksvolles Meisterwerk. Glocken ertönen in sich steigernden Intervallen, der Eindruck eines Weihnachtschorals in kerzenwarmen russischen Kirchen lebt auf. Liegt dem gewaltigen Werk doch der alte „Choral der kleinen russischen Kinder“ zugrunde.

Das einsätzige Werk wechselt zwischen ruhigen Abschnitten, wunder-bar singenden Soli des Englischhorns (Cvetomir Velkov) und immer wieder überwältigendem Aufbrausen des Orchesters. Zurück bleibt der ganz klein gewordene Mensch.

Diese Spannung löste das Orchester meisterhaft mit dem „Weihnachtsmedley“ „Mentis“ von Thiemo Kraas auf: „Maria durch ein Dornwald ging“, leise, zauberhaft in den Instrumenten Flöten, Klarinetten, Blech durchwechselnd, geht fast unmerklich über in den aus dem 17. Jahrhundert stammenden Choral „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ – und so schließt sich der Kreis.

Langanhaltender Beifall folgte. Die Besucher waren spontan und unisono aufgesprungen. Und ganz abendlich-behutsam wurden sie mit der Zugabe „Der Mond ist aufgegangen“ in die schneebedeckte Stadt entlassen.