Konzert der Stadtkapelle Rain: Jetzt kann Weihnachten kommen

Die Stadtkapelle Rain spielte ihr Weihnachtskonzert 2021 nicht wie gewohnt vor vollem Haus, sondern vor den leeren Bänken der Stadtpfarrkirche Rain. Allerdings wurde es per Livestream auf Youtube übertragen.

Kirchenkonzert 2021
Die Stadtkapelle Rain überträgt ihr Weihnachtskonzert ins Internet. Auf diese Weise erreicht das Orchester sein Publikum mit wunderbarer Musik.

Donauwörther Zeitung 13.12.2021

Es ist der dritte Adventssonntag – er steht unter dem Leitwort „Gaudete“ („Freut euch“), und Rain rüstet sich für den adventlichen Abend. Lichterglanz allenthalben, doch keine erwartungsvollen Spaziergänger eilen zum Kirchenkonzert der Stadtkapelle. Corona hat die Tür der Rainer Stadtpfarrkirche verschlossen. Im Gotteshaus indes rüsten sich die Musikerinnen und Musiker mit Stadtkapellmeister Andreas Nagl zu ihrem Vortrag, der diesmal per Livestream im Internet übertragen wird. Sie haben sich Beistand geholt: Stadtpfarrer Jörg Biercher und Lektorin Regina Rabuser helfen als Moderatoren mit spürbarer Freude mit, um mit ihren Worten und Gedanken zur festlich-sinfonischen Blasmusik des Vorstufenensembles und des großen Blasorchesters und somit zum Weihnachtsfest hinzuführen. 

Wie fühlte sich das an? Ein älteres Ehepaar liest, während in der verschlossenen Kirche die Stadtkapelle noch probt und vorweihnachtliche Klänge um die eingerüstete Kirche tosen, verständnisvoll den Hinweis am Kirchenportal. Dort steht, dass pandemiebedingt kein Präsenzkonzert stattfinden könne. Allerdings gibt es das Konzert auf Youtube zu erleben – mit Vorsitzendem und Aufnahmeleiter Christoph Heider am Mischpult. Es ist ein neuer Weg, den die Stadtkapelle bewusst geht, denn eine Absage kommt für sie nicht infrage. Was wochenlang geprobt wurde, alle Mühen, alle Freude wieder auf Eis zu legen – das ist keine Option. Auch nicht, vor einer nur halb gefüllten Kirche zu spielen. Also wagen Andreas Nagl und seine Mannschaft den Livestream und landen mit ihrem Experiment einen vollen Erfolg! Es ist der krasse Gegensatz zu Hoffnungs- und Mutlosigkeit, die sich oft in diesen Tagen breitmachen. 

Der Part des vielköpfigen Vorstufenensembles mit Dirigentin Cathy Smith und etlichen Kindern, für die dieses Konzert den ersten öffentlichen Auftritt bedeutet, wird aus praktischen Überlegungen am Vortag aufgenommen und startet sehr ansprechend mit der abwechslungsreichen „Black Forest“-Ouvertüre von Michael Sweeney, und der „Kleinen Weihnachtsfantasie“ von Thomas Berghoff. Die Freude der fein aufspielenden Mädchen und Buben ist mit Händen zu greifen, sie leuchten mit ihrer Dirigentin um die Wette. 

Regina Rabuser, charmante Co-Moderatorin, stellt mit dem Philosophen Aristoteles – mit Blick auf die Blaskapelle Rain – fest, dass „die Freude an der Arbeit ein Werk trefflich geraten lässt“: Aus der Barock-grandiosen „Music for the Royal Fireworks“ von Georg Friedrich Händel, HWV 351, einem seiner populärsten Werke, steht „La Rejouissance“ – dieses „Freudenfest“ in D-Dur (Allegro, eigentlich der 4. Satz) auf dem Programm. Damit wurde 1748 der Friedensschluss im Österreichischen Erbfolgekrieg zu Aachen gefeiert. Das große Friedensfeuerwerk in London im April des Folgejahres leitet die stimmungsvolle Stunde wundersam und prächtig ein: Ganz im damaligen Sinne kommt dieses Arrangement nur für Blasinstrumente im raschen 4/4-Takt, mit Trompetensignalen und Pauken zu Gehör. Das anschließende zarte Largo alla Siciliana, im wiegenden 12/8-Takt, ist einer Pastorale angenähert – dem „Kindelwiegen“ – und der Musizierweise sizilianischer Hirten zur Weihnachtszeit. Das Orchester erfreut mit wundersamem, großartigem Klang, mit unbändiger Freude am Musizieren. 

Noch einmal große Klassik mit drei Sätzen aus der Suite „L’Arlésienne“: Ursprünglich war sie Bühnenmusik zu einer erfolglosen Tragödie von Alphonse Daudet, dann stellte George Bizet sie grandios in einer Suite (Nr. 1) zusammen. Erfolgreicher noch ist die posthum komponierte zweite Fassung (Ernest Guiraud): „Pastorale“, „Intermezzo“ und „Farandole“ – der erste, in A-Dur komponierte Satz beginnt eher schwermütig. Fast solistisch sind die Einschübe von (Piccolo-)Flöten, Horn und Fagott mit Tutti-Passagen, in denen die Themen in den Instrumentengruppen wechseln. 

Ein düsterer zweiter Satz mit Marschrhythmen und expressiv kontrastierendem Saxofon wird vom Ohrwurm „Farandole“ abgelöst, einem fröhlich-stürmenden, effektvollen Schlusssatz, in dem das Eingangsthema der Suite Nr. 1 mit einer Farandole kombiniert ist. Hinreißendes Musizieren der Stadtkapelle, die nicht einmal vollzählig ist. Sie ist gebeutelt von Corona-Einschränkungen – und packt trotzdem den Zuhörer und nimmt ihn in wunderbare Klangwelten mit. 

Sind bis dahin weihnachtliche Zitate eher in den Adaptionen volksmusikalischer Traditionen, so leitet das große Choralvorspiel zur Kirchenkantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, von Johann Sebastian Bach zu adventlicher Musik über. Pfarrer Biercher zitiert den Vers, „…macht Euch bereit, zu der Hochzeit“. Flöten, Holzblasinstrumente, Trompeten spielen getragen, breit. Fast ängstliche Erwartungen sind herauszuhören, noch keine Weihnachtserlösung. Die ersehnte Freude, von den Moderatoren fast beschwörend gewünscht, kommt in den Auszügen aus der „Großen Weihnachtspartita“ von Alfred Bösendorfer. 

Ein kurzes, fröhliches Präludium, mit funkelnden Splittern bekannter Weihnachtsmelodien leitet über in klassische Weihnachtslieder: „Fröhlich soll mein Herze springen“, „Heilige Nacht“ und „Es ist ein Ros entsprungen“. Und da dürfen nun endlich Weihnachtsfreude und -frieden einkehren: Komme, was mag. Jetzt kann auch Weihnachten zu uns allen kommen! 

Info Der Mitschnitt des Konzerts ist auf Youtube weiterhin abrufbar unter dem Stichwort „Kirchenkonzert der Stadtkapelle Rain, 12. Dezember 2021“.