Stille Demut und pulsierende Freude

Einer der letzten großen Höhepunkte dieses Advents fand jetzt in Rain statt. Die Stadtkapelle grandios wie eh und je.

DONAUWÖRTHER ZEITUNG VOM 20.12.2016

Von Barbara Würmseher

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Imposant im Erscheinungsbild und im musikalischen Spiel: die Stadtkapelle Rain unter ihrem Leiter Andreas Nagl. – Foto:Simon Bauer

Der Advent geht in sein Finale und mit ihm auch die Vielzahl berührender Konzerte, die dieser besonderen Zeit den gewissen Zauber verleihen. Einen ihrer letzten großen Höhepunkte hat die Vorweihnacht jetzt in Rain erlebt – konzertante Blasmusik vom Feinsten! Eingebettet in den würdevollen Rahmen der Pfarrkirche St. Johannes, moderiert von Stadtpfarrer Jörg Biercher, kredenzte die Stadtkapelle mit ihrem Dirigenten Andreas Nagl eine Aufführung, die ebenso Ehrfurcht atmete wie pulsierende Freude – ebenso in schlichter Folklore zu Hause war wie in den technischen Raffinessen der Kompositionen großer Meister.

Der Auftakt gebührte traditionell dem Nachwuchs und dem gelang mit „Jupiter“ aus der Orchestersuite des englischen Komponisten Gustav Holst ein wahrlich hymnischer Einstieg. Mit „Winter Wonderland“ und der kleinen Fantasie „Mentis“ (Besinnung) bewegte sich das Vorstufenensemble dann unmittelbar in der Vorweihnachtszeit und bewältigte sehr respektabel auch herbe Harmonien und knifflige Tempi. Und wenn ein paar Vorwitzige dennoch vor lauter Spieleifer davonzulaufen drohten, dann fing Andreas Nagl – er sprang für die erkrankte Luisa Hänsel ein – sie mit stoisch ruhigem Dirigat schnell wieder ein. 30 engagierte junge Bläser waren im Einsatz – und bei diesem talentierten Nachwuchs braucht einem um die Zukunft der Stadtkapelle nicht bange zu sein!

Erst recht beglückte dann das große Orchester mit bekanntermaßen beachtlichem Niveau. Vier Werke standen im Programm, die kontrastreicher kaum hätten sein können und so einmal mehr eine imponierende stilistische Bandbreite aufwiesen.
Feuerwerksmusik zum Auftakt
Mit Georg Friedrich Händels Feuerwerksmusik starteten die Musiker relativ risikolos – was die Publikumsgunst betrifft. Deren Ästhetik entzieht sich so schnell keiner. Dem Komponisten – so war zu erfahren – schien bei der Uraufführung die Besetzung mit Bläsern zu martialisch. 1748 zur Feier des Aachener Friedens komponiert, hatte er die weicheren, zarteren Streicher bevorzugt. Dennoch darf man kühn behaupten: Der große Barockmeister hätte die Interpretation der Rainer Stadtkapelle gemocht. Die majestätische, prachtvolle Ohrwurm-Ouvertüre, die schlanke Bouree, der beseelte Friedens-Satz La Paix, die beiden adretten Menuette und die Fanfarensignale im erhabenen La Réjouissance wirkten im Spiel der rund 80 Musiker mitnichten kriegerisch, denn gravitätisch und höchst royal.
Mit großer Strahlkraft bewegten sich die hohen Register über dem stützenden Fundament des tiefen Blechs, bei dessen natürlichem Phlegma die Musiker freilich mitunter gefordert waren, um mit den atemberaubenden Tempi mitzuhalten, die Dirigent Andreas Nagl gemäß dem Charakter weiter Teile der Komposition vorlegte. Es waren mehr als 18 Minuten Spieldauer voller betörendem Wohlklang – und das mit einem Höchstmaß an Leidenschaft und Spielfreude, die da aus dem Chorraum zum Publikum ins Kirchenschiff schwappten, wenn Dirigent und Orchester symbiotisch verschmolzen.
Ja, Orchesterleiter Nagl hatte einmal mehr ein bemerkenswertes Programm zusammengestellt – anspruchsvoll, wie man es von der Rainer Stadtkapelle kennt. So auch bei Giacomo Puccinis „Te Deum“ aus der Oper Tosca, von Johan de Meij für Blasorchester eingerichtet. Mit den sich monoton wiederholenden Schlägen des Glockenspiels und dem Brausen der Orgel (Franziskus Wawrzik) wird die römische Kirche Sant’Andrea della Valle als Schauplatz klanglich beschrieben, ehe die Bläser dunkel und schwermütig einstimmen.
Dort soll – laut Handlung der Oper – im Juni 1800 ein Te Deum gefeiert werden, um den vermeintlichen Sieg der russisch-österreichischen Truppen über Napoleon zu zelebrieren. Doch anstelle eines Lob- und Dankgesangs entladen sich in der Basilika Rache, Hassgefühle und Eifersucht der Protagonisten. Puccini verpackt diese Handlung musikalisch in große Düsternis, die nur gelegentlich von lichten Momenten durchbrochen wird. Das Grundthema wird gebetsmühlenartig wiederholt und steigert sich in einem groß angelegten Spannungsbogen. Eine anspruchsvolle Herausforderung für die Musiker um Andreas Nagl – und schwere Kost fürs Publikum.
In der Kirche verteilt
Dann klang noch einmal Tonkunst an, die die Barockzeit bereits erahnen lässt, freilich noch hörbar in der Renaissance verwurzelt ist. Giovanni Gabrieli war der Tradition der Venezianischen Mehrchörigkeit zugetan – auch in seinem „Canzon septimi e octavi Toni á 12“, den Andreas Nagl mit der Stadtkapelle einstudiert hatte. Bis zu acht Chöre pflegte der italienische Komponist bei dieser Aufführungstechnik im Kirchenraum zu verteilen – in der Rainer Stadtpfarrkirche waren es drei jeweils vierstimmige, die Nagl vor dem Altar wie auch in den Seitenschiffen platzierte. Er selbst koordinierte die alternierenden Einsätze vom Mittelgang aus.
Und endlich zum guten Schluss gab es auch ein Stück Weihnachtsmusik. Davon hätte es gerne noch ein bisschen mehr sein dürfen, als einzig jene Fantasie „Alpenländische Weihnacht“, in der sich ein Melodien-Potpourri ein Stelldichein gibt, das zu den schönsten seiner Art gehört. So schlicht und einfach die zugrunde liegenden Weisen „Heidschi Bumbeidschi“, Uffm Berge, da wehet der Wind“, „Es ist für uns eine Zeit ankommen“ und „Andachtsjodler“ sind, so kunstvoll und virtuos gestalteten sich die von Thomas Doss arrangierten Sätze. Satt und samtig im Gesamtklang, näherte sich das große Blasorchester, gelenkt von Nagls behutsamem Dirigat, über die sich immer wieder reibenden Harmonien den bekannten Melodien an, die schließlich im überschwänglichen Crescendo von „Oh du fröhliche“ gipfelten. Für die Musiker rein technisch gesehen sicher eher entspannend zu spielen nach dem vorausgegangenen Kraftakt – fürs Publikum einfach zauberhaft zu genießen!
Engelbert Humperdicks sphärisch-zarter „Abendsegen“ nahm diesen innigen Charakter noch einmal auf und verabschiedete die Zuhörer damit in die Nacht. Da blieb eigentlich nur noch ein Wunsch offen: Dass diesem 24. weihnachtlichen Kirchenkonzert der Stadtkapelle just in einem Jahr das 25. folgend wird!