
Beim Frühjahrskonzert 2024 präsentiert die Rainer Stadtkapelle ein abwechslungsreiches musikalisches Programm.
Fotos: Simon Bauer
Mit einer abwechslungsreichen Auswahl an Kompositionen zeigen die Musikerinnen und Musiker beim Frühjahrskonzert unter der Leitung von Andreas Nagl ihr Können.
Von Ulrike Hampp-Weigand
Rain Andreas Nagl ist ein Magier. Wie er die sinfonische Blaskapelle Rain geformt hat, zu welch außer- gewöhnlicher Leistung diese fähig ist, das war im diesjährigen Früh- jahrskonzert zu sehen. Zum letzten Male in der rappelvollen Turnhal- le, wie Bürgermeister Karl Rehm bei seiner Begrüßung überra- schend ankündigte. Stehe doch der Umzug in die neue Schulaula an.
Die Musiktitel unspektakulär, ungemein charmant, sehr konzentriert angekündigt von Marco Roger. Mit dem Konzertmarsch „Elysion“ des Österreichers Sebastian Schraml beginnt die 85-köpfige Kapelle fast überfallartig mit Musik, die von den glücklichen Gefilden der Seligen erzählt, sehr rhythmisch mit vielen Wechseln in den Registern, sehr jugendlich, sehr modern klingt, dabei „nur“ die außergewöhnlichen Erwartungen an das Orchester erfüllt. Dominik Brunner glänzt solistisch mit seinem Instrument im „Tuba Concerto Espanol“ von Kurt Gäble. Mit dem temperamentvollen Werk, reich an spanischen Volksmusikelementen, stellt er die überraschende Agilität seiner Tuba vor: Mit langem Atem, die Tonleiter herauf und herunter kullernd, singt sie quasi mit jedem weiteren Instrument ihr melodisches, beschwingtes Lied.
Sinfonische Blaskapelle Rain zeigt ihr meisterliches Können
Mit dem Klassiker sinfonischer Blasmusik, den 1972 entstandenen, rhythmischen, hochkomplexen sinfonischen Kompositionen „Armenischen Tänzen (Teil 1)“ von Alfred Reed beweist das Orchester sein meisterliches Können. Die Volkslieder „Tzirani Tzar“ (Der Aprikosenbaum), „Gakavi Yerk“ (Das Lied des Rebhuhns), „Hoy, Nazan Eem“ (Hoy, mein Nazan), und „Alagyaz“/ „Gna, Gna“ (Los, Los) sind bezaubernd ineinander verwobene Melodien. Sie tauchen in allen Instrumentenregistern auf, werden sensibel illustriert und hinreißend wiedergegeben. Der Berg „Alagyaz“ wird in großer Geste besungen, der Säbeltanz Chatschaturjans ist zu erahnen, ansteckend kichert die unbeschwerte Melodie des „Gna, Gna“.
Ganz anders wieder die „Große Suite über „Winnetou“ von Martin Böttcher (arr. Guido Renner): Filmmusik der Sechziger Jahre, diese Suite mit Musik aus den aus Karl Mays Feder stammenden Geschichten, in denen Häuptling Winnetou auf seinem Rapphengst Iltschi mit Blutsbruder Old Shatterhand gegen üble Schurken kämpft und stirbt. Man kennt die Melodien, sie berühren in ihrem vertrauten, leicht angestaubten deutschen Klang. Das Orchester spielt fabelhaft, zaubert in allen Registern im „Prolog“, „Unter Geiern“, erfreut mit „Hill Billy Tilly“ in den Rhythmen des amerikanischen Südens – Mundharmonikaklänge vom Keyboard, Flöten, Saxophone, Trompeten, Tuben formen effektvollen Sound, steigern sich im „Grand Canyon“, bevor im Finale die „Winnetou-Melodie“ erklingt: So reiten die Helden verklärt ins Abendrot.
Frühjahrskonzert in Rain: Zuschauer sind begeisterT
Nach der Pause wunderschön elegisch „Charles Chaplin“ vom Niederländer Marcel Peeters, eine Hommage an einen der größten Filmemacher der Geschichte, Charlie Chaplin. Vom Gänsehaut erzeugenden „Limelight Theme“ zur „Promenade“ des Landstreichers mit dem Spazierstock zur „Gräfin von Hongkong“, den „Modernen Zeiten“, zum „Großen Diktator“. Dann die „Mountains of Switzerland“ von dem spanischen Komponisten Peter Navarro. Romantiker, der aufregende Erzählungen und hochkomplexe Strukturen in seinen Werken schafft. Die Rainer illustrieren mit ihrem überragenden Können die Geschichte eines Adlerfluges über abweisend schroffe Felsen in schwindelnder Höhe, sanfte grüne Matten mit weidenden Kühen. Die Thermik des Fluges im Klang der Holz- und Blechblasinstrumente zeichnet den schwebenden Adler, Kuhglockengebimmel Almfrieden. Dann ein „Echoorchester“, das mit klingendem Spiel in den Saal kommt, ins Getümmel integriert wird. Der Adler kehrt zurück, die gemütliche, anheimelnde Stimmung schlägt um in brachiale, sich beschleunigende Gewalt – Crescendo, ein überwältigender, kaum zu ertragender Klang.
Die Zuschauer spenden stehend Beifall, und natürlich gibt es die erste Zugabe, den Bayerischen Defiliermarsch. Die zweite Zugabe: die Wiederholung des soeben gehörten Finales. Das Konzert war nicht nur ein meisterlich gespieltes, hochkomplexes und differenziert dargestelltes musikalisches Ouevre, das das enorme Leistungsniveau der Rainer sinfonischen Blaskapelle illustrierte – eine enorme Herausforderung an die teils sehr jungen Musikerinnen und Musiker. Ihnen, wie auch ihren Dirigenten Andreas Nagl und Cathy Schmid, gilt uneingeschränkte Anerkennung.